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I./2.4.: Risikofaktoren für die Bildung von Herz-Kreislauf Erkrankungen: erhöhter Blutdruck (morbus hypertonicus, Hypertonie)
I./2.4.1.: Formen der Hypertonie
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Die Hypertonie kann nach der Pathogenese in "primär" und "sekundär" eingeteilt werden; nimmt man das biologische und klinische Verhalten als Kriterium, kann die Hypertonie in "benigne" oder "maligne" eingeteilt werden. Von primärer oder essentieller Hypertonie spricht man, wenn die Pathogenese nicht eindeutig geklärt ist; steht eine bekannte Erkrankung, oder gar ein Syndrom im Hintergrund, spricht man von einer sekundären Hypertonie. Der Krankheitsverlauf einer benignen Hypertonie geht typischerweise auf Jahre, sogar Jahrzehnte zurück, sie ist medikamentös gut in den Griff zu bekommen, und bei einem gut eingestellten Blutdruck sind die Lebenserwartungen eines solchen Patienten mit denen der gesunden Population gleichzusetzen. Bei einer malignen Hypertonie bildeten sich die stark erhöhten Blutdruckwerte innerhalb weniger Monate aus, und sie sind mit Medikamenten nicht in den Griff zu bekommen; die Lebenserwartung eines solchen Patienten ist um einiges verringert.
I./2.4.1.1.: Primäre (essentielle) benigne Hypertonie
90-95 % der Hypertonien sind primär (essenzielle Hypertonien), deren Ätiologie unbekannt ist. Bei der Ausbildung dieser Erkrankungen spielen mehrere Faktoren eine Rolle, von den drei hervorzuheben sind:
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1) Störungen des Natrium Stoffwechsels
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2) äussere Faktoren, die einen Vasospasmus verursachen und aufrecht erhalten
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3) die strukturelle Maladaptation der Arteriolen
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1. Zur Störung des Natrium Stoffwechsels führt wohl eine poligen vererbte Störung, die für eine genetische Schädigung des Renin- Angiotensin- Aldosteron- Natrium Systems verantwortlich ist; dieser Schaden konnte noch nicht genau definiert werden. Bisher sind 8 verschiedene Genmutationen bekannt, die alle die Natrium Retention der Tubuli beeinflussen. Die Natrium Ausscheidung der Niere wird somit um einiges vermindert, und die damit verbundene Wasserretention verursacht in den Gefässen eine Hypervolämie. Die Funktion der linken Herzkammer wird dann an diese veränderte Situation adaptiert, indem der systolische Blutausstrom erhöht wird. Um eine Hyperperfusion der Gewebe zu verhindern, ziehen sich die Arteriolen zusammen. Der so verursachte Vasospasmus, der sich zu Beginn noch nicht stabilisiert hat, führt zu einer Verdickung der Media der Gefässe, und somit zu einer Verengung des Gefässdurchmessers.
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In den westlichen Industrienationen konsumiert ein Teil der Bevölkerung bereits in der Kindheit regelmässig salzige Snacks (z.B. Chips, Salzstangen, Erdnüsse, Pop Corn usw). Man konnte den schlechten Einfluss eines zu hohen Salzkonsums auf die Ausbildung einer Hypertonie mit epidemiologischen Angaben beweisen. Die Umwelteinflüsse- egal, ob sie als einziger Risikofaktor, oder als eine Zusatzerscheinung auftreten- haben einen Dauerspasmus zur Folge. Ein Grossteil der betroffenen Patienten hat eine Hyper-Reninämie.
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2. Es sind zahlreiche solche externen Einflüsse bekannt, die einen Vasospasmus verursachen bzw. verstärkten: hierzu gehören die soziale Stellung eines Individuums, eine falsche Ernährung, die zu viel Natriumchlorid beinhaltet, der Alkoholkonsum, zu wenig Sport, ein erfolgsorientierter streitsüchtiger Charakter, ein zu stressiger überaktiver Lebensstil und das Übergewicht. Eine besondere Rolle spielen hierbei der über Jahrzehnte andauernde, zu hohe Konsum an Natriumchlorid, der zu stressige Lebensstil, der zu einer andauernden Katecholaminausschüttung führt, und zu wenig Sport. Ein zu hoher Anteil an Natriumchlorid im Blut führt dazu, dass die Arteriolen auf Angiotensin II und Katecholamine zu intensiv reagieren (durch die hyperreaktiven glatten Muskelzellen der Media).
3. Die strukturelle Maladaptation der Arteriolen bedeutet, dass sich ein Vasospasmus festgesetzt hat. Ein über Jahre hinweg andauernder Vasospasmus führt bei diesen Gefässen zu einer strukturellen Umänderung, die eine normale Relaxation der glatten Muskelzellen nicht mehr ermöglicht; die Gefässe bleiben zusammengezogen, was bedeutet, dass das Verhältnis zwischen der Gefässwand und dem Durchmesser des Gefässlumens wächst (diese strukturelle Änderungen ist das sog. remodelling), und sich damit ein erhöhter Gefässwiderstand, also eine andauernde Hypertonie einstellt. Dieser andauernde erhöhte Bluthochdruck löst in den Arteriolen allerdings eine hyaline Arteriolosklerose aus, verursacht im Herzen die sog. hypertone Herzerkrankung (cardiopathia hypertonica- gemeinsames Vorkommen einer kardialen Hypertrophie und einer kardialen Ischämie; ein weiteres Beispiel hierfür ist eine interstitielle Fibrose, die zusammen mit einer Koronarsklerose vorkommt), und führt in der Aorta und den großen muskulären Arterien zu einer Verschlimmerung der Arteriosklerose.
Bei der hyalinen Arteriosklerose setzen sich homogene, eosinophile, das Lumen verengende, noch undefinierte Eiweisskörperchen (Hyalin) in der Intima und in der Media der kleinen und mittelgroßen Arterien so ab, dass sie das Lumen verengen. Die Läsion ist meist segmental, exzentrisch, seltenen zirkadian. Diese Art der Gefässveränderung kann auch an den Folgeerscheinungen am Zielorgan abgelesen werden. Im Gehirn zeigt sich diese Art der Läsion am häufigsten in den Arterieolen, die die Basalganglien versorgen. In den betroffenen Gefässabschnitten bilden sich umschriebene Erweiterungen der Wand, sog. Charcot-Bouchard- Mikroaneurysmen Die durch eine hypertone Krise verursachten Hirnblutungen sind oft auf Risse dieser Mikroaneurysmen zurückzuführen. Die klinische Manifestation der durch einen Bluthochdruck verursachten Gehirnschäden sind die TIA, ein ischämischer Hirnschlag (stroke), die Hirnblutung, und sämtliche Veränderungen des ZNS, die von einer Hypertonie verursacht werden können (hypertensive Enzephalopathie).
Die strukturelle Umänderung der Arteriolen des Herzens wirkt sich negativ auf die Blutversorgung des Herzens aus, führt zu einer Ischämie, und führt auch zu einer hypertonen Herzerkrankung. Klinisch sind diese Veränderungen in Form einer Angina pectoris, einem Myokardialinfarkt und einer Herzinsuffizienz ersichtlich. Sind die Nierenarterien betroffen, bildet sich dort eine arteriosklerotische Nephrosklerose aus, die durch einen erhöhten Serum -Kreatinin -Spiegel und eine Proteinurie diagnostisiert werden kann.
Die hypertone Retinopathie der Arteriolen des Auges kann mit einer Fundoskopie sichtbar gemacht werden. Diese Tatsache ist klinisch deshalb so wichtig, weil der Fundus des Auges die einzige Stelle im menschlichen Körper ist, an der man die Gefässveränderungen direkt untersuchunen kann; ausserdem kann man bei solch einer Untersuchung auf den Schweregrad der systemischen Gefässveränderung schließen, da die Veränderungen am Fundus mit dem Schweregrad der Hypertonie proportional sind ("das Auge spiegelt den Bluthochdruck wieder"). Die makrovaskulären Gefässveränderungen am Fundus des Auges werden nach Keith in folgende Stadien eingeteilt: I. Stadium: wechselnde Kaliber der Gefäße, erhöhter Lichtreflex, kabelartige Gefäße; II. Stadium: I+ Kreuzreaktionen; III. Stadium: II+ Einblutungen am Fundus und degenerative Veränderungen; IV. Stadium: III+ Ödem der Retina und Papille (malige Phase der Hypertonie).
I./2.4.1.1.1.: Hypertone Herzerkrankung (hypertensive Kardiopathie) und Gefässverhärtungen (Arteriosklerose)
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Die Erhöhung des peripheren Gefässwiderstandes führt zu einer Druckbelastung der Muskulatur der linken Herzkammer. Es bildet sich zunächst eine konzentrische, dann eine dilatative (exzentrische) Hypertrophie der linken Herzkammer, und das Gewicht des Herzens überschreitet oft die 500 g Grenze. Da die essenzielle Hypertonie proportional zur Ausbildung einer Arteriosklerose ist, haben Bluthochdruckpatienten auch eine Arteriosklerose, die häufig auch eine Koronarsklerose beinhaltet. Die Verengung der großen Gefässe und der Arteriolen des Herzens kann oft zu tödlichen Komplikationen wie Arrhythmien oder einer Linksherzinsuffizienz führen. Wenn man von den Arteriolen der Niere spricht, meint man die kleinen interlobularen Arterien und die afferenten Arteriolen.
Ein Vasospasmus der Glomerularkapillaren verhindert, dass bei einer Erhöhung des Filtrationsdruckes auch die GFR erhöht wird.
Im Falle eines andauernden Bluthochdruckes bildet sich eine nephrosclerosis arteriolosclerotica (nephrosclerosis benigna) aus. Makroskopisch sind beide Nieren verkleinert, wiegen pro Stück ca. 130 g, und zeigen an der Oberfläche ein Schleifpapier ähnliches Muster. Histologisch sichtbare Gefässveränderungen sind die Mediahypertrophie der kleinen interlobulären Arterien und die Fibroelastose der Intima, eine Hypertrophie der Media der Arteriolen (2-3 glatte Muskelzellreihen) und eine segmentale Hyalinose. Die Glomeruli, die von den am schlimmsten befallenen Arteriolen versorgt werden (der gesamte Glomerulus eines betroffenen Gefässes verändert sich), zeigen eine globale Sklerose, und um die narbige Glomerulosklerose herum sieht man eine interstitielle Fibrose und zugrunde gegangene Tubuli. Die fibrotischen Bereiche sacken im Gegensatz zu den normalen Bereichen ab, was die makroskopische Erscheinung der Nierenoberfläche erklärt.
Obwohl es sich bei der schleifpapierartig veränderten Oberfläche der verkleinerten Nieren, bei der konzentrischen Linksherzhypertrophie und bei der Hirnblutung um typische Komplikationen einer essenziellen Hypertonie handelt, ist es trotzdem ratsam, die Nephrosclerosis Arteriolosclerotica histologisch nachzuweisen; eine verkleinerte Niere mit einer schleifpapierartigen Oberfläche kann sich auch bei der diabetischen Nephropathie und einer chronischen Glomerulonephritis ausbilden. Obwohl die Niere eines der vom Bluthochdruck am stärksten veränderten Organe ist, führen die hypertonen Veränderungen i.A. nicht zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Klinisch zeigen sich erste Symptome eines Bluthochdruckes nur sehr versteckt im Alter um die 25 bis 35 Jahre. Der erhöhte Blutdruck bleibt jahrelang bestehen, und die diastolischen Blutdruckwerte sind nie höher als 115 mmHg. Diese Erkrankung verursacht jahrelang überhaupt keine Symptome und wird oft erst um die 45 bis 55
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Wegen der u.U. Jahrzehntelang dauernden latenten Periode dieser Erkrankung wird sie oft erst im Rahmen einer Sektion entdeckt (" benigne essenzielle Hypertonie: der stille Mörder"). In erhöhtem Alter kommt diese Erkrankung gehäuft vor. In den USA ist eine Hypertonie bei Afroamerikanern doppelt so häufig, wie bei der Weissen Population. Die benigne essenzielle Hypertonie ist in den Entwicklungsländern eine Volkserkrankung. In Ungarn sind schätzungsweise 25 % (!) der Erwachsenen von einem Bluthochdruck betroffen, der ja bekanntlich einer der häufigsten Gründe für ein zerebrovaskuläres Geschehen ist, das meist zum Tode führt. Zu den direkt auf eine Sklerose zurückzuführenden Todesursachen gehören die zerebrale Apoplexie, die Linksherzinsuffizienz, die Aortendissektion und die subarachnoidalen Blutungen.
Direkte Folgen einer hypertonen Krise können die Dissektion einer zystischen Mediadegeneration der Aorta bzw. Rupturen von Bären-Aneurysmen der Hirnarterien (auf englisch sog. berry aneurysm) sein. Auch diese Todesursachen sind indirekt auf die Arteriosklerose zurückzuführen. In diese Gruppe gehören auch der akute myokardiale Infarkt, der plötzliche Herztod und die Thrombose der A.basilaris, die zu einem Hirninfarkt und der damit verbundenen ponto-cerebralen Gehirnerweichung führt. In einer dekompensierten benigne Nephrosklerose sieht man bei einigen Patienten eine progressive Glomerulosklerose, eine daraus folgende massive Proteinurie, und einen langsam steigenden Serum-Kreatinin-Wert des Blutes. Der Pathomechanismus der Glomerularschädigung ist nicht geklärt. Trotz blutdrucksenkender Mittel kann sich hier eine chronische Niereninsuffizienz einstellen.
I./2.4.1.2.: Primär (essentielle) maligne Hypertonie
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Es handelt sich hierbei um eine seltene Erkrankung – um ca.5 % aller Hypertonien. Die Symptome beginnen sehr plötzlich, und i.A. bei Männern im Lebensalter zwischen 30 und 40 Jahren, die davor einen normalen Blutdruck gehabt haben. Es kann auch sein, dass sich eine essentielle benigne Hypertonie in diese Richtung weiterentwickelt, also akzeleriert. Im Blutserum solcher Patienten ist eine Hyperreninämie zu sehen, und der Blutdruck steigt sehr schnell, innerhalb weniger Wochen auf Werte von bis zu 200/130 Hgmm. Makroskopisch sieht man in der Nierenrinde punktförmige Einblutungen und kleine, mehr oder weniger frische anämische Infarkte. Meist ist keine Schrumpfung der Nieren zu sehen. Histologisch sieht man eine hyperplastische Arteriolosklerose: die glatte Muskelzellschicht der intralobulären Arterien und der afferenten Arteriolen ist vermehrt und verdickt, in der Media und in der Intima sind die Myozyten zwiebelschalenartig angeordnet, und zwischen den einzelnen Schichten lagern sich Kollagenfasern ein, die so das Lumen massgeblich verengen.
Zum oben Beschriebenen kommt noch oft eine fibrinoide Nekrose der glatten Muskelzellen hinzu, die mit einem leichten Entzündungszellinfiltrat (nekrotisierende Arteriolitis, maligne Nephrosklerose) einhergeht und leicht thrombotisiert. Die Nekrose betrifft oft auch Segmente der Glomeruli, was mit der Bildung einer nekrotisierenden Glomerulonephritis und einer Halbmondbildung einhergeht. Das histologische Bild entspricht einer thrombotischen Mikroangiopathie. Der extrem hohe Blutdruck führt zu Rissen in den nekrotisierten Gefässen, womit die punktförmigen Einblutungen in der Nierenrinde zu erklären sind.
Klinische Symptome eines extrem erhöhten Blutdruckes sind Einblutungen in der Retina und ein damit verbundenes Papillenödem, und auch eine Linkskammerinsuffizienz, die verbunden mit einer Linksherzinsuffizienz vorkommt. Der extrem hohe Blutdruckdruck kann auch eine hypertensive Enzephalopathie zur Folge haben, was heisst, dass sich jederzeit eine Hirnblutung bilden kann. Symptome der Enzephalopathie sind Kopfschmerzen, Sehstörungen, Nystagmus, neurologische Herdsymptome, und ein positiver plantarer Reflex. Die Nierenfunktion sinkt sehr schnell ab. Wird ein Patient nicht behandelt, stirbt er mit einer 80% -igen Wahrscheinlichkeit innerhalb von einem Jahr. In solchen Fällen ist die Todesursache eine Linksherzinsuffizienz oder eine Hirnblutung (apoplexia cerebri).
I./2.4.1.3.: Sekundäre Hypertonie (hypertonia sekundaria)
Der Grund für einen erhöhten Blutdruck ist nur bei 5-10 % der betroffenen Patienten bekannt. Hierzu gehören: chronische Erkrankungen der Nieren (renoparenchymale Hypertonie); die Verengung der Arteria renalis, oder die Erkrankung der Nierengefässe im Allgemeinen (renovaskuläre Hypertonie); endokrine Erkrankungen (Aldosteronismus, Phäochromozytom, Cushing - Syndrom, Hyperthyreose); sonstige vaskuläre Ursachen (coarctatio aortae, arteritis); neurogene Ursachen (intrakraniale Gehirndruckerhöhung).
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