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V./4.8.: Therapie
V./4.8.1.: Spezifische Behandlung des akuten ischämischen Hirninfarkts
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Bei akutem ischämischen Hirninfarkt ist die einzig wirksame Therapie ist die mit rekombinantem gewebespezifischem Plasminogenaktivator (rt-PA) durchgeführte thrombolytische Therapie. Dosis des intravenösen rt-PA beträgt 0.9 mg/kg Körpergewicht, maximal 90 mg. Erste 10 % der Dosis muss im Bolus eingegeben werden, die anderen innerhalb von 60 Minuten im Perfusor. Mit der Behandlung muss innerhalb von 3 Stunden nach dem ischämischen Gehirninfarkt begonnen werden. Die Behandlung kann auch nach 3 Stunden wirksam sein, in dem der derzeitigen Behandlungsvoreinschlag (2012) steht ein Zeitfenster von 4,5 Stunden. Die multimodale Bildgebung (Perfusions-CT, Diffusions-MRI) kann an Selektion der dafür geeigneten Kranken auch helfen. In der zusammengezogenen Analyse der individuellen Daten der mit dem rt-PA durchgeführten Untersuchungen wurde gefunden, dass auch innerhalb des dreistündigen Zeitfensters, je mehr mit der Behandlung begonnen wird, desto besser wird die Prognose sein. Diese Analyse bewies den Vorteil der rt-PA-Behandlung bis zur 4,5 Stunde nach Auftreten des Gehirninfarkts
Der Blutdruck muss vor Behandlungsbeginn der Thrombolyse unter 185/110 mmHg gesenkt werden. Die intravenöse rt-PA ist auch bei Kranken verwendbar, die beim Auftreten des Gehirninfarkts epileptischen Anfall hatten, falls die Entwicklung des neurologischen Defizits eindeutig mit dem akuten Hirnischämie verbunden ist. Intravenöse rt-PA-Behandlung ist in einigen Fällen auch bei Kranken unter 18 Jahre und über 80 Jahre verwendbar, obwohl das derzeit außer der Verwendungsverordnung des Medizins liegt. Bei akuter ACM und A. basilaris-Verschluss kann die intraarterielle Behandlung innerhalb von 6 Stunden durchgeführt werden. Bei akuter A.-basilaris-Okklusion ist intraarterielle Thrombolyse durchführbar. Bei A.-basilaris-Okklusion ist die intravenöse Thrombolyse auch nach 3 Stunden eine akzeptable Alternative.
Innerhalb von 48 Stunden nach dem ischämischen Gehirninfarkt muss Aspirin (160-325 mg Sättigungsdosis) gegeben werden, aber bei Planung oder Durchführung der rt-PA-Behandlung ist eine Aspirin- oder Antithrombotische Therapie innerhalb von 24 Stunden nach der Behandlung nicht empfohlen. Bei akutem ischämischem Gehirninfarkt ist außer Aspirin die Gabe anderer Thrombozytenaggregationshemmer weder an sich noch in Kombination vorläufig nicht zu empfehlen. Frühe Gabe von nicht fraktioniertem Heparin, Heparin mit niedrigem Molekulargewicht (LMWH – low molecular weight heparin) oder Heparinoiden ist für ischämische Apoplexie-Kranken nicht empfohlen. Derzeit existiert keine Empfehlung für Behandlung der ischämischen Apoplexie-Kranken mit neuroprotektiven Mitteln.
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Verwendung der früher gebrauchten Streptokinase ist nicht erlaubt, da sie das Blutungs- und Mortalitätsrisiko erheblich erhöhte. Auch derzeit laufen Untersuchungen bei den mit intravenös angewandter Desmoteplase, nach Perfusion/Diffusion-Mismatch ausgewählten Kranken, in der 3-9. Stunde nach Verlauf des ischämischen Gehirninfarkts. Bei proximalem ACM-Verschluss im 6 stündigen Zeitfenster, mit Verwendung von Pro-Urokinase (pUK) erreichte die intraarterielle Thrombolyse im Vergleich mit dem Placebo in einer randomisierten klinischen Untersuchung (Pro-urokinase for Acute Ischaemic Stroke) signifikant besseres Ergebnis. In dieser Indikation stehen für Effektivität der rt-PA oder anderen thrombolytischen Agenten nur Beobachtungs- und nicht randomisierte Vergleiche zu Verfügung. Bei akut basilarer Okklusion mit Anwendung von intraarteriell verwendeter Urokinase bzw. rt-PA wurden auch günstige Ergebnisse erzielt. Erneuter therapeutischer Versuch ist die mechanische Embolusentfernung, die Embolektomie (Testfrage 8).
Raumnehmendes Hirnödem ist die häufigste Ursache für frühe Progression und Tod bei großen Infarkt der Gehirnhälfte. Dieses kann bei ACI- oder ACM-Verschluss entstehen und wird „maligner” Infarkt im ACM-Bereich oder „malignes Media-Syndrom” genannt. Der lebensgefährliche Hirnödem tritt gewöhnlich am 2-5. Tag nach Entwicklung der Apoplexie-Symptome auf, aber sogar bei 1/3 der Kranken lässt sich innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten der Symptome neurologische Progression beobachten. In diesem Fall ist nach Auftreten der Apoplexie-Symptome innerhalb von 48 Stunden, unter 60 Jahren ist chirurgische Dekompressionstherapie (sog. Hemikraniektomie) empfohlen. Falls die Operation in Frage kommt, kann vor Operation zur Verringerung des intrakranialen Drucks Osmotherapie verwendet werden.
V./4.8.2.: Allgemeine Behandlung der akuten ischämischen Apoplexie
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Allgemeines Behandlungsprinzip ist, dass 72 Stunden lang die Monitorisierung von neurologischem Status, Puls, Blutdruck, Temperatur und Sauerstoffsaturation des Kranken mit persistierendem, schwerem neurologischem Defizit nötig ist. Regelmäßige Monitorisierung der Flüssigkeits- und Ionenhaushalt ist nötig. Blutdrucksenkung ist nach akuter Apoplexie nicht empfohlen, nur bei extrem hohen Werten (>220/120 mmHg). Trotzdem kann Blutdrucksenkung bei schwerer Herzinsuffizienz, Aortendissektion und hyperintensiver Enzephalopathie nötig sein. Rasche Blutdrucksenkung ist zu vermeiden. Monitorisierung der Blutzuckerwerte ist nötig, Titration von Blutzuckerwerten höher als über 10 mmol/l (180 mg/dl) mit Insulin ist empfohlen. Schwere Hypoglikämie (<50 mg/dl, also <2.8 mmol/l) muss auch korrigiert werden. Bei Fieber (Körpertemperatur >37.5°C) sind Fieberlinderung und Infektionsbehandlung empfohlen
Nach Behandlung des akuten Stadiums ist antithrombotische Therapie empfohlen. Für diejenige, die keine Antikoagulation benötigen, muss Thrombozytenaggregationshemmer gegeben werden. Falls möglich, müssen kombiniertes Aspirin und Dipyriodamol oder Clopidogrel an sich eingenommen werden. Als Alternativtherapie kann Aspirin an sich oder Triflusal in den Sinn kommen. Kombinierte Therapie von Aspirin und Clopidogrel für kürzlich ischämische Apoplexie Erlittene ist nicht empfohlen, bis auf bei spezifischen Indikationen, wie z. B. instabile Angina, Non-Q-wave myocardial infarction (NQMI) oder kürzlich verlaufenes Stenting. Indikation der Dauerantikoagulation wird im Kapitel über sekundäre Prävention erörtert.
V./4.8.3.: Behandlung der carotischen Stenose
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Die carotische Verengung muss auf konservative oder invasive Weise behandelt werden. Unter invasivem Eingriff wird Carotisendarterektomie (CEA) oder endovaskulärer Eingriff (Carotis-perkutane transluminale Angioplastie und/oder Stenting, CAS) verstanden. An der verschlossenen Carotis muss kein rekonstruktive invasiver Eingriff durchgeführt werden.
Nach heutigen Empfehlungen ist die Carotis-Operation für diejenige symptomfreien Personen mit signifikanter Carotis-Verengung nicht empfohlen, bis auf den Fall, wenn der Gehirninfarkt entwicklungsrisiko hoch ist. Operation kommt auch nur bei einer Verengung von über 80% in Frage, deren Durchführung im entsprechenden Zentrum ist wichtig (Testfrage 9).
Bei symptomatischer Stenose von 70-99%, TIA oder Apoplexie mit leichten Restsymptomen ist Durchführung von CEA empfohlen. Bei schweren Restsymptomen ist der Eingriff nicht empfohlen. Neu gegebene Empfehlung ist, dass der gefäßchirurgische Eingriff nach dem letzten ischämischen Ereignis, nach Stabilisierung des Zustands des Patienten, so schnell wie möglich durchzuführen ist, im Idealfall innerhalb von 2 Wochen. Patienten müssen auch vor und nach der Operation Thrombozytenaggregationshemmer einnehmen.
Okklusion der gegenseitigen ACI ist keine Kontraindikation für Durchführung der CEA, aber ein größeres perioperatives Risiko.
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Durchführung der CAS ist nur bei ausgewählten Patienten empfohlen: es besteht bedeutende Ko-Morbidität und die Operation ist kontraindiziert, die Stenose liegt an einer chirurgisch nicht erreichbarer Stelle, Tandem-Stenose, nach früherer CEA entstandene Restenose, Postirradationsstenose. Endovaskuläre Behandlung ist bei Kranken auch zu überlegen, die eine symptomatische intrakraniale Stenose haben. Für Patienten ist direkt vor dem Eingriff, danach mindestens einen Monat, dann nach allgemeiner Praxis gewöhnlich 3-6 Monate lang Einnahme von Clopidogrel und Aspirin empfohlen.
Beidseitige signifikante Stenose oder einseitige Stenose und gegenseitiger Verschluss gelten hinsichtlich der Apoplexie-Bildung als erhöhtes Risiko. Dann ist Untersuchung des Zustands der dominanten Gehirnhälfte besonders wichtig. Untersuchung (mit SPECT- oder TCD-Untersuchung) der zerebrovaskulären Reservekapazität ist ebenso empfohlen. Falls die Rekonstruktion durch einen anderen Gesichtspunkt nicht modifiziert wird, muss sie schnellstmöglich auf der Seite durchgeführt werden, wo die Reservekapazität <10% beträgt.
Bei Verschluss oder Stenose der A. cerebri media (ACM) ist die zwischen der A. temporalis superficialis und ACM gebildete Anastomose an der Verhinderung des Apoplexie nicht wirksam.
Unter konservativer Behandlung wird verstanden, dass atherosklerotische Risikofaktoren des Kranken aufgedeckt werden und diese nach beruflichen Vorschriften, dem Zielwert entsprechend behandelt werden. Für asymptomatische Kranken mit ACI-Stenose von mehr als 50% ist Aspirinkonsum in kleinen Dosen zur Verringerung ihres vaskulären Risikos empfohlen.
V./4.8.4.: Sekundäre Prävention
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Für früher Apoplexie- oder TIA erlittene Kranken, die keine Antikoagulation brauchen, muss eine Thrombozytenaggregationshemmerbehandlung (TAH-Behandlung) durchgeführt werden. Deren Notwendigkeit wird durch einen Neurologen beurteilt. Zur Verfügung stehende Medikamente sind: Aspirin, Clopidogrel, Aspirin und Dipirydamol kombiniertes Erzeugnis, Triflusal und Ticlopidin.
Dauerantikoagulation ist bei aufgrund von Vorhofflimmern (VHF) entstandenem ischämischem Gehirninfarkt empfohlen (Testfrage 10). Falls eine nicht mit VHF zusammenhängende kardioembolische Apoplexie stattfand und das Risiko des Wiederauftretens der Apoplexie hoch ist, wird ebenso Antikoagulation empfohlen. Bei nicht kardioembolischer Apoplexie ist Dauerantikoagulation nicht empfohlen, bis auf folgende Fälle: Aorta atheroma, fusiforme Aneurysma des AB, zervikale Arteriendissektion, septales Vorhofaneurysma, geöffnetes Foramen ovale und nachgewiesene tiefe Venenthrombose.
Bei carotischer Atherosklerose gibt es keine Indikation. Acenocumarol und Warfarin sind Vitamin-K-Antagonisten und müssen durch INR kontrolliert werden, INR-Zielwert beträgt 2-3. Neuere Medikamente als der direkte Thrombinhemmer Dabigatran und der aktivierter X-Blutgerinnungsfaktorhemmer Rivaroxaban und Apixaban benötigen keine INR-Kontrolle, bei schwer beschränkter Nierenfunktion darf nicht verwendet werden (diese Medikamente eliminieren sich durch die Niere), der Kranke muss keine an Vitamin-K-arme Diät halten.
Blutdruck und Blutzucker müssen regelmäßig kontrolliert werden. Blutdrucksenkung ist nach Verlauf der akuten Phase auch bei Kranken mit normalem Blutdruck erforderlich. Diabetes mellitus muss durch Veränderungen der Lebensweise und personenspezifische medikamentöse Therapie behandelt werden. Wegen des hohen kardiovaskulären Risikos ist Statin-Behandlung empfohlen. Rauchverbot und Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum sind auch empfohlen. Regelmäßige Körperaktivität und Erreichen des normalen Körpermasseindex sind ebenso empfohlen. Diät mit wenig Salz, gesättigter Fettsäure, aber mit viel Gemüse, Obst, und Faser ist empfohlen. Behandlung der Atmungsstörungen im Schlafen, wie z. B. obstruktive Schlafapnoe ist durch Beatmung mit stetigem Positivdruck empfohlen. .
V./4.8.5.: Rehabilitation
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Früher Beginn der multidisziplinären Rehabilitation der akuten Apoplexie-Kranken ist empfohlen. Frühe Entlastung von der Apoplexie-Abteilung ist bei stabilen Apoplexie-Kranken mit leichten oder mittelmäßig schweren Symptomen möglich, falls die Rehabilitation auf deren Wohnsitz erfolgt. Nach Entlassung ist die Fortsetzung der Rehabilitation im ersten Jahr nach Apoplexie-Verlauf empfohlen. Mit Erhöhung der Dauer und Intensität der Rehabilitation wurden auf langer Distanz bessere Ergebnisse erzielt.
Anwesenheit der Depression muss bei Kranken regelmäßig gemessen werden, sowohl während der Krankenhausbehandlung, als auch während der Befolgungszeit. Zur Launebehandlung ist Pharmakotherapie und Verwendung von nicht medikamentösen Interventionen empfohlen. Bei neuropathischen Post-Apoplexie-Schmerzen ist die Verwendung von Antidepressanten und Antikonvulsiven empfohlen. Gabe von Botulinumtoxin ist zur Behandlung der Post-Apoplexie-Spastizität zu überdenken, obwohl dessen Effektivität von mehreren Faktoren abhängen kann. .
V./4.8.6.: Nachbefolgung, Verpflegung
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Verpflegung der Apoplexie-Kranken ist dadurch begründet, dass etwa 17 % aller Apoplexie-Fälle ein wiederholtes Ereignis sind. Symptome des zweiten, dritten Schlaganfalls sind schwerer, als die des ersten. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Apoplexie beträgt im ersten Jahr 10-12%, innerhalb von 2-5 Jahren 5-8%, über 5 Jahren 30-40%. Innerhalb von drei Monaten erleidet jeder zehnter Kranke eine erneute Apoplexie.
Während der Verpflegung sind Zustandmessung des Kranken, Kontrolle der Risikofaktoren und der therapeutischen Zielwerte wichtig. Falls der Kranke eine ACI-Stenose über 50% hat, so muss halbjährlich, in begründetem Fall (z. B. bei weicher Plaque, Plaque mit unebener Oberfläche) früher Sonographische Untersuchung durchgeführt werden. Kooperation mit Ärzten der Grenzbereiche (Gefäßchirurg, Kardiologe, Diabetologe usw.) ist auch wichtig.
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