V./1.2.: Das vordere bzw. Carotis-Stromgebiet

V./1.2.1.: Die A. carotis interna (ACI)

fontos

Man kann der das vordere Stromgebiet versorgende Arteria carotis interna (ACI) dextra et sinistra entlang eine extra- von einer intrakraniellen Strecke unterscheiden. Die intrakranielle Strecke wird weiter in extra-, inter- und intradurale Abschnitte unterteilt. Der extradurale Abschnitt der ACI fängt an der äußeren Schädelbasis beim Foramen canalis carotici an, wo das Gefäß in den Canalis caroticus des Felsenbeins reintritt. In diesem verläuft das Gefäß erstmal senkrecht, dreht sich dann parallel der Längachse vom Felsenbeim nach vorne, und verläßt den Kanal beim Foramen lacerum.

Ab hier läuft es interdural nach oben an der Seite vom Keilbeinkörper im Lumen des Sinus cavernosus. Dieser intrakavernöse Anteil weist mehrere Variationen von der steil aufsteigenden bis zur S-Form des Gefäßes auf. Früher wurde vor Allem die letztere Carotis-Siphon genannt. Die Arterie verläßt den Sinus cavernosus an der lateralen Seite des Processus clinoideus anterior. Hier setzt die Dura mater vom Dach des Sinus cavernosus mit je einem Blatt auf der Unter- und Oberseite des Knochenfortsatztes an. Diese kurze, interdurale Strecke wird wegen ihrer Topographie auch paraclinoidale Carotis genannt. Der letzte Abschnitt verläuft schon intradural, und verzweigt sich in Kurzem auf seine zwei Endäste (Bifurcatio), nämlich die Arteria cerebri anterior (ACA) und Arteria cerebri media (ACM).

V./1.2.2.: Die praktische Gliederung der A. carotis interna

fontos

Die vorher aufgezählten Abschnitte des Gefäßes werden im Klinikum auch C1 – C7 Segmente genannt, wobei das C1 dem intraduralen, C2 – C5 den interduralen (paraclinoidal und intrakavernös), soweit das C6 dem extraduralen (intrapetrosal) Gefäßabschnitt entsprechen. Als C7 Segment wird die ACI (extrakraniell) am Hals bezeichnet.

V./1.2.3.: Die extra- und interduralen Äste der A. carotis interna

Im Verhältnis zu ihrem langen Verlauf gibt die Arteria carotis interna nur wenige Äste ab, einige von denen sind aber nur in manchen Fällen vorhanden.

1.: Die A. pharyngea ascendens und die A. meningea media

Diese Gefäße entspringen nur in seltenen Fällen von der ACI, denn die Arterie gibt gewönlicherweise keine extrakraniellen Äste ab. In solchen Fällen kriegen die Hirnhäute der zugehörigen Versorgungsgebiete ihre Blutversorgung nicht aus der Arteria carotis externa, sondern ähnlich dem Gehirn aus der ACI.

2.: Die Aa. caroticotympanicae und die a. canalis pterygoidei (Vidii)

Die ersten bilden Anastomosen mit weiteren Arterien an der Vorderwand (Paries caroticus) der Paukenhöhle (Cavum tympani), wohin sie durch zahlreiche kleine Löcher eintreten. Das zweite Gefäß begleitet den Nervus canalis pterygoidei im gleichnamigen Kanal am Boden des Sinus sphenoidalis bis in die Fossa pterygopalatina.

3.: Intrakavernöse Äste

Sowohl die Anzahl als auch der Ursprung von diesen kann gewisse Variabilität aufweisen, zwei kräftige Stämme können jedoch immer gefunden werden.

Der proximale, einige millimeter weit vom Anfang der intrakavernösen Strecke nach hinten austretende (i) Truncus meningohypophysealis gibt im Allgemeinen drei Äste ab: die Arteria meningea dorsalis clivalis medialis und lateralis versorgen die Felsenbeinspitze, den Clivus und das Dorsum sellae mit den benachbarten Geweben.

Der Ramus tentorialis oder Arteria Bernasconi-Cassinari ist ein dünner Ast, der im Vorderrand vom Tentorium cerebelli läuft. Die Arteria hypophysealis superior läuft direkt zur Neurohypophyse. Der andere kräftige intrakavernöse Stamm ist der (ii) Truncus inferolateralis. Auch dieser gibt mehrere Äste ab. Mit denen versorgt er den Ganglion Gasseri, die Dura vom Sinus cavernosus sowie die im Sinus verlaufenden Hirnnerven. Manchmal kann auch die McConellsche Arteria capsularis vorhanden sein, die die Dura der Sella turcica und die Hypophyse versorgt.

V./1.2.4.: Die intraduralen Äste der A. carotis interna

fontos

In diesem Kapitel werden bevorzugt die über größere klinische Bedeutung verfügenden Arterien beschrieben. Im Bezug auf kleinere bzw. variable Gefäße und statistische Dateien siehe Nachschlagewerke.

V./1.2.4.1.: Die A. ophthalmica (Ao)

Diese ist der erste intradurale (supraclinoidale) Ast der Arteria carotis interna, kann aber auch vom intrakavernösen Teil der ACI (infraclinoidaler Ursprung), oder in weniger als 10% der Fälle intradural entspringen. Meistens stammt die Ao aus dem paraclinodalen Teil der ACI (~75%). Die Ao tritt mit und unter dem Sehnerven in den Sehnervenkanal (Canalis nervi optici) ein. In mehr als 70% der Fälle zieht sie inferomedial zum Nerven, seltener medial oder lateral von ihm.

Die Äste der Ao versorgen neben den Strukturen des Augapfels und der Augenhöhle auch die Stirnhaut über dem Auge, sowie den medialen Augenwinkel und den Nasenwurzel, den oberen Teil der lateralen Nasenwand und des Nasenseptums. Weitgehend bilden diese zahlreiche Anastomosen mit den Ästen der Arteria carotis externa.

V./1.2.4.2.: Die A. hypophysealis superior

Eine oder mehrere kleine Arterien unmittelbar aus dem supraclinoidalen Teil der ACI. Die Gefäße der beiden Seiten bilden der Mittellinie entlang zahlreiche Anastomosen miteinander, und versorgen mit mehreren Ästen das Chiasma opticum, die Sehnerven, das Tuber cinereum, sowie den Hypophysenstiel und die Vorderlappe der Hypophyse.

V./1.2.4.3.: Die A. communicans posterior (AcommP, „commPost”)

Tritt hinten nach einigen Millimetern aus der anfänglichen intraduralen ACI aus, und gesellt sich der Arteria cerebri posterior zwischen deren P1- und P2- Segmenten. Diese Arterie vebindet somit die vorderen und hinteren Stromgebiete miteinander. Jedoch fehlt sie in ca. 3-11% der Fälle auf der einen Seite, oder ist oftmals unterentwickelt (hypoplastisch). Interessanterweise ist das Gefäß in ungefähr 25% der Leute dicker, als die diese aufnehmende Arteria cerebri posterior (sog. fetaler Typ).

Mit ihrem Verlauf begleitet das Gefäß die mesiale Oberfläche vom Temporallapen bzw. an einer kurzen Strecke den Tractus opticus. Anfangs liegt es in der Cisterna carotica, nacher in der Cisterna interpeduncularis. Seine Äste versorgen das Chiasma opticum und den Tractus opticus, das Tuber cinereum, hinter diesen die Corpora mamillaria und den kaudalen Teil vom Hypothalamus. Weitere Äste ziehen zum Thalamus und Subthalamus aus den sog. Arteriae thalamoperforantes anteriores (Arteria thalamotuberalis seu premamillaris) und aus der stärkeren Arteria thalamogeniculata.

V./1.2.4.4.: Die A. choroidea anterior

Entspringt distaler als das vorher beschriebene Gefäß, kann aber bei manchen Leuten auch aus der Bifurkation der ACI bzw. aus der anfänglichen Arteria cerebri media stammen. Die meisten Beschreibungen vernachlässigen die Äste dieses Gefäßes außer dem Plexus choroideus, obwohl diese an der Blutversorgung von solchen eloquenten Strukturen beteiligt sind, wie das Riechhirn, die Basalganglien, das Diencephalon oder Teile der Sehbahn.

Nach seinem Ursprung verläuft das Gefäß ziemlich kurz in der Cisterna carotica, dann dem Tractus opticus bis zur medialen Seite des Temporallappens folgend in der Cisterna cruralis. Hier gibt es im Allgemeinen durch einen kleinen Stamm (Arteria uncalis) Äste zum Amygdala, dem vorderen Teil des Hippocampus (Pes hippocampi) und dem hinteren Teil vom Nucleus caudatus, sowie zur Area piriformis ab.

Der kräftigere Teil des Gefäßes zieht in der Cisterna ambiens weiter, und versorgt mit kleinen Ästen das Chiasma opticum und den Tractus opticus, den Globus pallidus, die Substantia nigra und den Nucleus ruber, weitgehend auch die Knie der Capsula interna. Trägt daneben auch zur Versorgung der vorderen Thalamuskerngruppen (ventralis anterior und lateralis) bei. Nachdem die Arterie die Fissura choroidea erreicht hat, stülpt sie die Lamina epithelialis ventriculi lateralis und die Pia mater in den Unterhorn (Cornu inferius) des Seitenventrikels (Ventriculus lateralis) vor sich um dort den Plexus choroideus zu versorgen. Neben dem Unterhorn kriegt auch der Corpus geniculatum laterale (CGL) und die Radiatio optica Äste.

V./1.2.4.5.: Die A. cerebri anterior (ACA)

Entspringt mit dem anderen Endast, nämlich der Arteria cerebri media zusammen aus der Bifurkation der ACI, ist aber in ca. 75% der Fälle wesentlich dünner als die media. Dieses Gefäß verläuft anfangs in der Cisterna laminae terminalis, dann weiter in der Cisterna corporis callosi. Zwischen den beiden Arteriae cerebri anteriores bildet die kurze und sehr variable Arteria communicans anterior Anastomose. Zwischen dieser Anastomose und der Bifurkation der ACI spricht man über die Pars precommunicans, die oftmals auch A1 oder proximale ACA genannt wird. Nach der Anastomose findet man die Pars postcommunicans bzw. A2 – Segment, distale ACA oder Arteria pericallosa.

  • 1.: Die Pars precommunicans bzw. A1-Segment (proximale ACA)

  • Die Pars precommunicans weist zwischen den beiden Seiten einige Unterschiede öfter (7-46%) als die Pars postcommunicans auf, obwohl das komplette Fehlen des Gefäßes nur in 1-2% der Fälle vorkommt. Mit seinen Ästen versorgt dieses Gefäß die umliegenden Strukturen (Lamina terminalis, Commissura anterior, Columnae fornicis, Chiasma opticum, die oberen Hälfte der Sehnerven und das Septum pellucidum). Neben dem ventralen Teil vom Hypothalamus kriegt auch der vordere Schenkel der Capsula interna seine Blutversorgung aus diesem Gefäßabschnitt. Seltener wird auch der mediale Teil vom Striatum mit einigen Ästen dieses Gefäßes durch die Substantia perforata anterior versorgt.

  • 2.: Die Pars postcommunicans oder A2-Segment (distale ACA)

  • Die Pars postcommunicans versorgt hauptsächlich die frontobasalen (A. frontobasalis medialis) und frontopolaren (A. frontopolaris) Gebiete der Hirnbasis, den Corpus callosum bis zum Splenium, und die auf der medialen Hirnoberfläche befindlichen frontalen, parietalen Kortexareale, sowie den Gyrus cinguli.

  • Unter ihren wichtigsten Ästen findet man die Arteria callosomarginalis und die Heubnersche Arteria recurrens. Diese letztere biegt sich ihrem Namen entsprechend zurück, und zieht parallel dem A1 – Segment bis zur Bifurkation der ACI, gibt dann Äste zum Putamen und vorderen Teil des Nucleus caudatus ab [6]. Weitgehend versorgt sie auch den Pallidum von außen und den vorderen Schenkel der Capsula interna. Charakteristisch ist für das A2 – Segment eine auffallende Symmetrie beider Seiten (~90%), wobei sie vorwiegend die ipsilateralen Strukturen versorgt (unihemisphärisch). Manchmal findet man auch über dem Corpus callosum zur Gegenseite ziehende Äste (bihemisphärisch). Selten fehlt das Gefäß auf der einen Seite (Azygos-Variante) oder kommt als überzähliges vor („median callosal artery”).

V./1.2.4.6.: Die A. communicans anterior (AcommA, „commAnt”)

Dieses Gefäß zeigt unter denen der Hirnbasis die größte Variabilität. Busse hat schon 1921 insgesammt 227 Variationen beschrieben. Dieses kurze, laut den meisten Beschreibungen 0,1 – 0,3 mm lange Gefäß verbindet die Arteriae cerebri anteriores in der Cisterna laminae terminalis miteinander. Seine ziemlich seltene Abwesenheit läßt sich mit der frühzeitigen Vereinigung von den zwei A1 – Segmenten erklären. Demgegenüber wird die fenestrierte und die retikuläre Variante wesentlich öfter gesehen, wobei die A1 – und A2 – Segmente durch mehrere communicanten miteinander verbunden werden, und ein kompliziertes Gefäßnetz zustandekommt. Auch die Arteria communicans anterior gibt wichtige Perforatoren zu den preoptischen Regionen vom Hypothalamus, den Sehnerven und zum Chiasma, weitgehend zur Area subcallosa.

V./1.2.4.7.: Die A. cerebri media (ACM)

Neben der Arteria cerebri anterior ist sie der andere, meist kräftigere Endast der ACI. Die Arteria cerebri anterior läuft nach dem Verlassen der Cisterna carotica in der Cisterna fossae lateralis cerebri (Cisterna Sylvii)weiter. Mit zahlreichen Ästen versorgt sie den Großteil vom Telencephalon, Insula und den Basalganglien. Aufgrund der Strukturen dem Gefäßverlauf entlang unterscheidet man die sphenoidale, insuläre, operkuläre und terminale bzw. M1 – M4 – Segmente.

  • 1. Das sphenoidale bzw. M1-Segment

  • Das sphenoidale oder M1 – Segment zieht von der Bifurkation der ACI bis zum Limen insulae parallel dem kleinen Keilbeinflügel. Seine wichtigsten Äste sind die Arteria temporopolaris, die Arteriae orbitofrontales und die lateralen lentikulostrialen Arterien. Die ersten zwei Astgruppen versorgen die laterale Frontobasis und den vorderen Teil des Temporallappens, soweit unter dem Versorgungsgebiet der lentikulostrialen Äste der dorsolaterale Teil vom Caput nuclei caudati, ein Teil des vorderen Schenkels der Capsula interna, das Putamen, die Pars externa vom Globus pallidus, die Capsula externa und das Claustrum zusammengefasst werden.

  • 2.: Das insuläre bzw. M2-Segment

  • Das insuläre bzw. M2 – Segment fängt beim Limen insulae an, wo sich das M1 – Segment in zwei (Bifurkation), seltener in drei Äste (Trifurkation) aufspaltet („upper”, ”medial” und „lower trunk”). Manchmal erfährt man auch andere Teilungsmuster. In der Praxis (Neuroradiologie, Neurochirurgie) hat die sog. Pseudobifurkation die größte Bedeutung, wobei die orbitofrontalen und temporopolaren Arterien mit einem gemeinsamen, dem M1 – Segment ähnlich ausgeprägten Stamm aus dem M1 – Segment entspringen.

  • Die wichtigsten Äste vom M2 – Segment versorgen den Frontal-, Parietal- und Temporallappen. Mehrere von diesen Ästen versorgen besonders wichtige Kortexarealen (sensorische, motorische und Assoziationareale), so z. B. die Arteria precentralis seu prerolandica den Gyrus frontalis medius et inferior, den unteren Teil des Gyrus precentralis, soweit die Arteria centralis seu rolandica den hinteren Teil vom Gyrus precentralis und den unteren des postcentralis.

  • Von den parietalen Ästen wird hier die Arteria angularis erwähnt, die neben der Versorgung vom Gyrus angularis auch an der vom Gyrus temporalis superior und der primären Hörrinde (Heschl Querwindungen) beteiligt ist. Die temporalen Äste versorgen überwiegend den Schläfenlappen, obwohl unter denen die Arteria temporalis posterior in bedeutendem Maße auch zur Versorgung der Insula beiträgt.

  • 3.: Das operkuläre bzw. M3-Segment

  • Als operkuläres bzw. M3 – Segment wird derjenige Gefäßabschnitt mit seinen Ästen nach dem M2 – Segment bezeichnet, der vom Sulcus limitans insulae bis zu ihrem Austritt aus der Fissura lateralis cerebri verläuft. Dieser Gefäßabschnitt umgibt das zugehörige Operculum jeweils mit einer stark gebogenen Schleife, und versorgt es gleichzeitig mit zahlreichen Ästen.

  • 4.: Das terminale, kortikale bzw. M4-Segment

  • Unter dem Namen terminales, kortikales oder M4 – Segment fasst man diejenigen Äste der ACM zusammen, die aus der Fissura lateralis cerebri austretend an der Konvexität der Hemisphäre bis in die Nähe der Fissura longitudinalis cerebri verlaufen um dort zahlreiche Anastomosen mit den Ästen der Arteria pericallosa zu bilden.

Last modified: Wednesday, 19 February 2014, 11:15 AM