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I./2.3.: Hufeisenniere (rens soleiformis seu arcuatus)
I./2.3.1.: Embryologische Einführung
Die Niere entwickelt sich aus dem Mesoderm. Aus dem kaudalen Teil der sich am Hals befindenden Vorniere (Pronephros) bildet sich die im Brustkorb befindende Urniere (Mesonephros). Der Duktus Mesonephrikus der Urniere endet in der Kloake. Aus dem Duktus Mesonephrikus bildet sich die Ureterknospe. Aus dem kaudalen Teil des Mesonephros bildet sich eine letzte Vorform der Niere, die Nachniere, Metanephros. Die endgültige Niere bildet sich dann aus den Mesenchymzellen der letzten Nierenvorstufe, dem metanephrischen Blastem aus. Das metanephrische Blastem schiebt sich bis an die Ampulle der sich teilenden Ureterknospe vor und bildet dann s-förmige Tubuli. In das untere Ende der Tubuli wachsen dann sich aus Angioblasten bildende Kapillarknäuel ein, aus denen sich schliesslich die Glomeruli bilden. Aus dem oberen Teil der Tubuli bilden sich der proximale Nierenkanal, die Henleschleife und der distale Nierenkanal.
Aus der Ureterknospe bilden sich die Sammelkanäle, die Nierenkelche das Nierenbecken und der Ureter. Die mesodermalen Zellen unterziehen sich dann einer Transdifferenzung, gehen in einen anderen Phänotyp über und werden zu Schleimhautzellen: apikal bilden sie die Zona occludens, basal bilden sie die Basalmembran. Die ersten wirklichen Nephrone sind dann in der 8. Schwangerschaftswoche zu sehen, reifen aber bis zur Geburt noch weiter aus. Die funktionelle Reifung der Nephrone ist bei Geburt noch nicht beendet, sondern dauert auch noch nach der Geburt, postnatal, an. Die sich aus der Ureterknospe bildenden Schleimhautzellen des Nierenkanales bilden an ihrem basalen Ende in grossen Mengen Polycystin-1 und -2, was dem Aktin Epithelzellen dabei hilft, sich an der interstitiellen Matrix zu verankern.
Diese Verbindung festigt dann die Nierenkanälchen, was die komplizierte räumliche Anordnung der Nierenkanälchen im Interstitium ermöglicht. Die Schleimhautzellen der Niere vergessen ihren mesodermalen Ursprung nicht, da das Zytoskelett der Podozyten immer Vimentin positiv bleibt, was für Zellen mesodermalen Ursprunges typisch ist, ausserdem sind noch sich regenerierende Schleimhautzellen der Tubuli vorübergehend Vimentin positiv, und das von den Nierentubuli ausgehende Nierenkarzinom ist gleichzeitig Vimentin und auch EMA (epitheliales Membranantigen) positiv.
I./2.3.2.: Hufeisenniere (ren soleiformis seu arcuatus)
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Die Hufeisenniere bildet sich immer dann aus, wenn die metanephrogene Zellhaufen sich nicht vollständig aufteilt. Die Inzidenz beträgt 1/1000 Patienten. Die beiden unteren Pole (Abb.1) der Nieren sind über dünnere bindegewebige oder kräftigere parenchymatöse Brücken (Isthmus) in Höhe des IV. bzw.V. Sakralwirbels miteinander verbunden ; sehr selten sind auch die oberen Pole verbunden. Wegen dieser bleibenden Verbindung können die Nieren nicht an ihren endgültigen Platz nach oben wandern, und können sich nicht so drehen, dass sie ihre normalen endgültigen anatomischen Platz erreichen; die nieren bleiben also tifer, i.A. im Beckenraum, mit ventral gerichteten Nierenbecken und Nierenkelche sitzen; die Ureter verlaufen vor der Niere und gelangen so bis in die Harnblase.
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Abb.1: Hufeisenniere: 1 Isthmus, 2 Aorta, 3 Arteria mesenterica, 4 Vena cava inferior, 5 Venae renales, 6 Ureter, 7Arteria iliaca communis, 8 Vesica urinaria, 9 Vorderansicht
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Abb.2: Variationen der Hufeisennieren
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Es kommt wegen der abnormalen Position der Nieren und der Deformität der ableitenden Harnwege bei dieser Fehlbildung oft zu Nierenentzündungen, bzw. bei weniger schweren Fällen zu Rücken- oder Bauchschmerzen, die von der Körperhaltung abhängig sind (beim Vor- oder Zurückbeugen des Oberkörpers vorkommend oder sich verstärkend); die Beschwerden bessern sich, wenn sich der Betroffene hinlegt. Weitere mögliche Komplikationen können Nierensteinbildung, in schweren Fällen die Bildung einer Sackniere (Hydronephros, Pyurie, Hämaturie, bzw. einigen Daten zu folgen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Ausbilung einer malignen Veränderung wie z.B. ein Nierenzellkarzinom (renal cell carcinoma) oder ein Nierenbeckenkarzinom (carcinoma urotheliale seu transitiocellulare pelvis renalis) sein.
Eine urographische Untersuchung gibt wegen der veränderten Einstellung der Nierenachse den ersten Hinweis auf die Veränderung: die Nierenachsen zeigen einen kranio-kaudal einen Zusammenschluss. Das einfachste bildgebende Verfahren ist heutzutage ja die Ultraschalluntersuchung. Wenn die Hufeisenniere keine Beschwerden verursacht, gibt es ausser der regelmässigen urologischen (urographischen) Kontrolle nichts zu tun. Verursacht die Fehlentwicklung allerdings Probleme, müssen bei einem operativen Eingriff die Nieren getrennt, und die anatomischen Verhältnisse korrigiert werden. Im Allgemeinen kommt es nach der Nierentrennung zum erwarteten Ergebnis, die Symptome verschwinden. Es kommt bei 25% aller Hufeisennieren zu einem Rückstau des Urins, zur Steinbildung, einer Hydro- oder Pyonephrose (Sackniere bzw. eitrige Sackniere), was ebenfalls mit einem operativen Eingriff behoben werden muss..
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